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Von
jeder Wahrheit ist das Gegenteil ebenso wahr.
Hermann Hesse, Siddharta |
SYSTEMISCHE AUFSTELLUNGSARBEIT
Ein Bericht aus
der Praxis
Mit der Geburt, dem Beginn unseres Lebensweges, werden wir Teil eines
Systems - unserer Familie. Bewusst und unbewusst erleben wir unser Eingebundensein
in der Familie und deren Beeinflussung auf unser Handeln und Fühlen.
In der Aufstellungsarbeit betrachten wir dieses Eingebundensein und unsere
gegenseitige Bezogenheit innerhalb der Familie oder anderen Zusammensetzungen
wie Berufsgruppen, Organisationen, Institutionen. Aber auch über
unsere innere Beziehungsgestaltung rund um ein Symptom, ein Problem oder
unsere Gefühle können wir neue Sichtweisen erkunden.
"Im Raum gestellt" zeigt sich das Beziehungsgefüge in seinen
wesentlichen Aussagen. Es weist in seiner unmittelbar sichtbaren, hörbaren
und spürbaren Prägnanz auf mögliche Lösungs- und Veränderungsschritte
hin.
Wir können so den für uns guten Platz im System erkennen, den
Ort, der Frieden möglich macht, uns die Kraft und Kompetenz belässt
und uns neue Sichtweisen erschließt. Wir können erfahren, was
beiträgt zur Heilung für ein erfülltes Leben in Liebe.
In meiner
Ausbildung wurde ich vertraut mit den Entwicklungen der amerikanischen
Familientherapeutin Virginia Satir, von Bert Hellinger, von Insa Sparrer
und Mathias Varga von Kibèd sowie Guni Baxa, Christine Essen und
Siegfried Essen.
Seit einigen Jahren arbeite ich mit großer Freude und immer wieder
mit großem Staunen mit dieser Methode. Als Aufstellungsleiterin
ist mir die wertschätzende, sich am Anliegen der KlientInnen orientierende
Zusammenarbeit mit allen Beteiligten eines Systems sehr wichtig.
Was "passiert"
in der Systemischen Aufstellungsarbeit?
Der Aufstellungsprozess offenbart sich in ganzheitlichem Wahrnehmen: Die
StellvertreterInnen oder RepräsentantInnen oder auch Rollenspieler
werden nach Auswahl und entsprechender Zustimmung intuitiv von der Klientin/vom
Klienten in den Raum gestellt. Nunmehr ist das körperlich - geistig
- seelische Wahrnehmen wichtig, das Sich-Einlassen auf das, was spürbar
ist, ohne zu wissen, was es sein könnte. Angeleitet oder auch autopoietisch
(= selbstschöpferisch) wird "der gute Platz im Ganzen"
(=System) gesucht. Es gibt in diesem Prozess kein Richtig und kein Falsch.
Vertrauend auf Wahrnehmungen und Impulse entstehen Bewegungen, Hinwendungen,
Abwendungen, Segnungen, Worte, Gesten, Rückgaberituale, Umarmungen,
Loslösungen - solange bis jedEr den für sich guten Platz gefunden
hat.
Nun kann der/die KlientIn seinen/ihren Platz anstelle des/der RepräsentantIn
einnehmen, mit allen Sinnen wahrnehmen wie sich dieser Platz anfühlt
und ev. auch Botschaften von den anderen Rollen empfangen. Dieses "Schlussbild"
einer Aufstellung ist sozusagen eine Momentaufnahme, das Leben geht immer
weiter und der/die KlientIn setzt den nächsten Schritt in der "Außenwelt",
die Rollenspieler entrollen sich und treten wieder in ihr eigenes Sein,
in ihre eigene Außenwelt ein.
Wann ist
eine Aufstellung sinnvoll?
Die Aufstellungsarbeit ist eine Interventionsmethode, keine Therapieform.
Sie ist überall da sinnvoll, wo ein System "krankt", sich
ein Systemteil nicht wohl/gut fühlt, nicht mehr weiter weiß
oder sonst ein Anliegen oder Fragenstellung hat. Beispiele aus meiner
Praxis:
Konflikte oder Probleme mit Eltern/Partner/Kindern/Freunden/
sich selbst/KollegInnen/Chef/Team
Krankheit: länger andauernde oder chronische Erkrankungen, psychosomatische
Erkrankungen, sonstige Körpersymptome
Erkennen und/oder Auflösungen von Mustern (eigenen oder übernommenen)
Heilung des Inneren Kindes
In Entscheidungs-, Klärungs- oder Krisensituationen
Zum Erkennen eigener Ressourcen
Meistens
ist es wichtig, dass eine Aufstellung eingebettet ist in einen therapeutisch
oder beratend begleitenden Prozess. So wird gewährleistet, dass das
in der Aufstellung Erlebte und Sichtbargewordene in das Alltagsleben integriert
werden kann, Veränderungsschritte behutsam gesetzt werden können
oder Heilung geschehen kann.
Als Artikel
in: Frauenwelt Weltenfrau Nummer 27 2006
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